Muschelhaufen 2006
Nr. 46


208 Seiten, Fadenheftung,
zahlreiche Abbildungen,
Klappenbroschur, 11.50 €
(mit sign. u. numm. Original-
Kunstbeilage: 17.- €)


 

 

 

 

   

  

  

   

Den Umschlag gestaltete
Heinz Lanser.


 

Theo Breuer stellt in seinem unterhaltsamen Essay
„Wenn der Schornsteinfeger kommt – Deutschsprachige Prosa aus den Jahren 2003 bis 2005“ zahlreiche Neuerscheinungen vor.

Zusätzlich enthält diese Ausgabe
zwei große Besprechungsrubriken

„Romane/Lyrik/Hörbücher“
sowie
„Kunst/Literatur/Autobiographien/Biographien"

mit zahlreichen (z.T. sehr originellen und frechen!!) Beiträgen
unserer Rezensenten Vera Hesse,
Peter Klusen, Marijke van Korkerken, Erik Martin, Peter Nieting, Waltraud Rossié, Friedhelm Schmitz, Herbert Sleegers und Karl Josef Striebe.
Einige Besprechungen können Sie hier lesen.
 



Sonderteil: Margot Scharpenberg
anlässlich des 80. Geburtstages der Lyrikerin:


Peter Beicken („Suchbild Lyrik – Fundsache Dichtung“), Gert Niers und Rainer Hering (Autorenporträt, Bibliographie) schreiben über die in den USA wohnende Autorin, die mit neuen Texten vorgestellt wird: Sie erzählt über
ihr gegenwärtiges Leben („Winter in New York“) und stellt dem Muschelhaufen einige Gedichte zur Erstveröffentlichung zur Verfügung: „Kein Resultat“, „Vorläufig“, „Wandrers Nachtlied“ (Eine Goethe-Paraphrase), „Johannes der Täufer“ sowie „Das Schaukelpferd des Akrobaten, freigesetzt“ (natürlich haben wir die dazugehörige Skulptur vom Victor Tolgesy „The Acrobat’s Rocking Horse, set free“ in Nr. 46 abgebildet).

 

Margot Scharpenberg
(Foto: Rainer Hering)


Kein Resultat
 
Nein
es summiert sich nicht
die Posten bleiben einzeln
kein Ausgleich zwischen
Zuwachs und Verlust

und was da zählt
das zählt für sich allein

selbst als ein scheinbar
angepasstes Teil
nennt es in Groß-Appell
statt der gefragten Zahl
noch immer seinen
vollen Namen


 

Zeichnung: Miriam Zedelius
 

 

 

 

 

Es gibt in der neuen Ausgabe sehr lesenswerte Erzählungen, Kurzgeschichten und Kurzprosa zu entdecken:

Almut Baumgarten:

Tussilago farfara

Ulrich Bergmann:

Schorf

Stefanie Golisch:

Psoriasis

Thomas J. Hauck:

Die Suche nach der verlorenen Melodie

Tobias Hugentobler:

Das Haus

Marcus Jensen:

Einfahrt

Rupprecht Mayer:

Friedrich in Rosenheim

Birke Meyer-Suchsland:

Was ist los?

Markus Orths:

Metamorphosen

Henner Reitmeier:

Das Gleisdreieck

Anna Sayn-Wittgenstein:

Keine Gefangenen mehr

Eva Scheller:

Der nächste Zug

Anja Schnaus:

Der Tausch

Klaus Johannes Thies:

Zwiegespräch mit dem Hummer


 

Wie immer, nimmt die

Kunst in der Ausgabe 46

einen wichtigen Platz mit hervorragenden Reproduktionen ein:

Fotografien von Ursula Brunbauer, Joachim Lischke, Vladimir Rolov und Helmut Schadt,
Illustrationen und Zeichnungen von Boris Braun, Martin Lersch und Miriam Zedelius,
Radierungen von Thomas J. Hauck und Ursula Pape,
Cartoons von Peter Klusen, z.B.



Holzschnitte von H.D. Gölzenleuchter und Rudolf Pötters,
ferner:
Clemens Weiss (Skulptur / Installation)
Leszek Oprządek (
Ölmalerei / eingeklebtes Farbbild)
Hermann Naumann (Lithographien / Steindrucke; Tusche / Pinsel)
Joachim Harmut (
Collage, Linolschnitt)
Heinz Lanser (
Umschlag: Malerei / Collage)
Victor Tolgesy (
Skulptur)
Nur im Förder-Abonnement: signierter und nummerierter zweifarbiger Original-Holzschnitt von H.D. Gölzenleuchter als Kunstbeilage
 


Lyrik


„Die Dichter dichten wieder, und das auf einem hohen Niveau“
, schrieb die Westdeutsche Zeitung über die Muschelhaufen-Lyrik in der Ausgabe 45. Und das setzt sich in Nr. 46 fort mit Gedichten von

Klaus Anders:

Werkstatt

Richard Anders:

Geburt / Der Unsterbliche / Meditation

Birgit Biehl:

Anatols Frevel

Marjana Gaponenko:

Tanz im Himmel / Der Wind ist ein Mann

Marjana Gaponenko:

Der lustige Bus (und 2 weitere Gedichte)

Olaf H.Hauge:

Eg har tri dikt / Ich hab drei Gedichte

Katharina Jäschke:

Versuchsweise

Diana Kokot:

Durchs Tor treten

Günter Kunert:

Vom Verschleißteil der Megamaschine

Andreas Noga:

Arkanum

Salvatore Quasimodo:

Ed è subito sera / Und schon ist es Abend

Margot Scharpenberg:

(siehe Sonderteil)

Manfred Streubel:

Fünf Sonette

Michael Wüstefeld:

Messergedichte

Maximilian Zander:

Gartengespräch mit dem Nachbarn

 

 


Und was steht sonst noch in der Ausgabe 46?

Stefanie Golisch schreibt eine Erinnerung an Manfred Streubel: „Denn alle Gegenwart heißt Widerstand“,
Dieter P. Meier-Lenz beschäftigt sich mit dem Brecht-Gedicht: „Sentimentales Lied No 1004“,
Irmhild Oberthür fragt:
„Heimat – aber wo ist sie? Eine Litanei vom Anfang des dritten Jahrtausends u. Z.“
und Leser und Rezensenten geben ein kurzweiliges
Echo auf die Ausgabe 45.

Das gesamte Umschlagbild von Heinz Lanser:

  

 

 

Aus einigen der vielen Zuschriften zu dieser Ausgabe:

            Der Herbst ist eine famose Jahreszeit für die Muschelhaufen-Lektüre! Die sanfte Melancholie von kühlen, freundlichen (aber nicht sonnenhellen) Tagen paßt ausgezeichnet zu der Bereitschaft, sich etwas vom Weltengetümmel abzukehren, um die Gedanken für einige Stunden über unbekannte Erde spazieren zu tragen.

            Viele (mir) neue Namen habe ich entdeckt, auch und gerade mit besonderem Fokus auf die ausgewählte Lyrik. Fast nach jedem Gedicht, jeder Erzählung die Sichtung weiterer Details im biobibliographischen Anhang in dem Bewußtsein, feine Literatur von Autorinnen und Autoren gelesen zu haben, die ihr Handwerk verstehen und von denen man wahrscheinlich noch häufiger lesen wird.

            Prosaisch ragen für mich aus all dem Guten heraus: Stefanie Golisch, Anna Sayn-Wittgenstein, Klaus Johannes Thies und Birke Meyer-Suchsland.

            Lyrisch ist es ein Gewinn, von Margot Scharpenberg und Manfred Streubel zu erfahren, deren Gedichte mich beeindrucken und gleichzeitig erstaunen, weil beide trotz der starken Ausstrahlung ihrer Texte offenbar nicht von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen wurden und werden. Manfred Streubel ist beispielsweise auch nicht in der Anthologie "Poesiealbum - Gedichte 1967 bis 1990" (Verlag Neues Leben) vertreten, die 1999 erschien. Eine lyrische Auswahl, die Gedichte von Dichterinnen und Dichtern versammelt, die in einer (gleichnamigen) Reihe von insgesamt 275 Heften im demokratischen Ostdeutschland publiziert wurden. Wohl auch dies ein Indiz, daß Streubel im literarischen Gedächtnis, (selbst in seiner Heimat) nicht verankert ist. Die kleine Auswahl jedenfalls überzeugt und es bleibt daher nur zu wünschen, daß die Vorstellung von Stefanie Golisch Streubels Wahrnehmung über „Muschelhaufen“ hinaus zu steigern vermag.

            Sehr interessant empfand ich weiterhin die Überlegungen von Dieter P. Meier-Lenz zum Brecht-Gedicht „Erinnerung an die Marie A.“, das ich ebenfalls noch nicht kannte. Unabhängig davon, ob und welche Absichten Brecht mit dem Gedicht verfolgte und ob es zum Superlativ „Jahrhundertgedicht“ taugt, ist es ein sehr gelungenes, sinnliches und zeitloses Werk der deutschsprachigen Poesie. Für mich bezieht der Text seine erotische Spannung vor allem aus der weißen Wolke, die ich als Anspielung auf die helle (weiße) Haut der „bleichen Liebe“ und somit als Andeutung des Geschlechtsakts verstehe („Sie war sehr weiß und ungeheuer oben. ... Sie war sehr weiß und kam von oben her“). Bei dieser Sichtweise (wie auch bei der von Meier-Lenz) ist der Blick zwar nicht mehr so schüchtern verklärend und gleichzeitig überhöhend wie in der unkonkreten Betrachtung von Albrecht Schöne, erkennt aber auch derart nüchtern noch immer gelungene Lyrik, die über die Lektüre hinaus nachwirkt und darum Jahre und Jahrzehnte überdauert.

            Überrascht (und sehr angesprochen) hat mich das Foto von Ursula Brunbauer. Ein Novum im „Muschelhaufen“. Ein fremder Körper, aber keineswegs ein Fremdkörper! ;-)

            Über Theo Breuers gelbe Emotionen, ausgelöst durch die Kombination von Uhrzeit und Klingel, habe ich herzhaft gelacht und die Passage sogleich meiner Frau und abends anwesenden Freunden vorgelesen. :-) Eine köstliche Darstellung dessen, was das Warten auf die tägliche (literarische) Post bei einem Lesomanen wie Breuer auszulösen vermag.

            Fazit: „Muschelhaufen“ macht Freude! Danke!

Andreas Noga

*

            Eine Erzählung hat mich, im Gegensatz zu vielen anderen, sehr berührt. „Keine Gefangenen mehr“ von Anna Sayn-Wittgenstein. Besonders vor dem historischen Hintergrund fand ich es sehr bemerkenswert diese Geschichte zu schreiben, zeigt sie doch, wie grotesk diese Zeitläufte waren. Vor dem Hintergrund des Krieges geriet nicht nur die Welt aus den Fugen, sondern die Menschen befanden sich in einer Ausnahmesituation, welche oft die Regeln des Zusammenlebens außer Kraft setzte.

            Hervorragend sind die Fotographien von Vladimir Rolov. Mir fällt dazu nur ein: „Menschen“. Eine weitere Erzählung möchte ich nicht unerwähnt lassen, „Das Gleisdreieck“ von Henner Reitmeier. Mir waren die Protagonisten so deutlich vor Augen, als ob ich so manche Flasche Wein mit ihnen getrunken hätte, und in diesen Runden haben wir die Welt verbessert.

Jürgen Ecken

*

            Ganz nebenbei möchte ich auch erwähnen, dass ich über den Muschelhaufen nicht nur (wie ja sicher die meisten Muschelhaufen-Leser) immer wieder auf neue, beziehungsweise auf neue alte Autoren aufmerksam gemacht wurde, sondern dass ich mit Johannes Kühn und Albert Vigoleis Thelen zwei absolute Lieblingsautoren kennen gelernt habe. Die Insel des zweiten Gesichts habe ich inzwischen dreimal gelesen und einige Male verschenkt.

Frieder Hülshoff, Bochum

*

            Daß es so etwas noch gibt. Eine solche Hingabe für Literatur und Grafik, einen solch hingebungsvoll gebauten Almanach!

            Mit Interesse las ich den Beitrag über den Dresdner Dichter Manfred Streubel. Es gab durchaus Bemühungen einiger seiner „Kollegen“, Streubel nicht ganz ins Vergessen abgleiten zu lassen. So erschien 1993, ein Jahr nach Streubels Freitod, im Dresdner Buchlabor „Gedenkminute für Manfred Streubel“, herausgegeben von Wulf Kirsten, Rudolf Scholz und mir.

Michael Wüstefeld, Dresden

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